Wir haben immer noch eine Frage aus Potsdam vom Umweltfest (hier der Artikel über den Tag) vorliegen, die nun endlich mal beantwortet werden muss. Dort trafen wir auf einen sehr netten Mann, der sich kurz von seiner Familie abseilte, um ein Experiment mit uns zu machen und uns dann die Frage mit auf den Weg gab, ob die Nordsee immer kälter als die Ostsee ist. (Mehr Antworten auf Fragen gibt es hier).
Man könnte ja meinen, die Nordsee sei groß und ständig triebe der kühle Atlantik frisches Wasser dazu, deshalb sei sie immer kälter als die Ostsee. Auch der Wind, der über diese große Wassermasse fegt, kühlt die Nordsee ab. Außerdem vefügt die Nordsee über deutlich spürbare Gezeiten, also Ebbe und Flut, die das Wasser austauschen.
Im Vergleich dazu hat die Ostsee, als Binnenmeer, ganz andere Voraussetzungen. Die Ostsee hat nur einen geringen Tidenhub und so viel Wasser, wie in der Nordsee über den direkten und breiten Anschluss an den Atlantik zuströmen kann, kommt über die Meerenge am Skagerrak nicht nach. Das Wasser der Ostsee stammt hauptsächlich aus Binnenflüssen. Bei stürmischen Wetterlagen kommt es ab und zu über die Meeresgebiete am Kattegat und Skagerrak zu einem Wassermassenaustausch mit der Nordsee. Deshalb hat sie auch einen besonderen Salzgehalt, über den wir hier schon mal berichtet haben. Außerdem ist sie ein relativ flaches Gewässer mit einer durchschnittlichen Tiefe von nur 52m.
Antwort
Im Sommer heizt sich die flache Ostsee im Vergleich zur Nordsee stärker auf. Ich habe hier mal Satellitenaufnahmen, die uns das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie zur Beantwortung der Frage zur Verfügung gestellt hat (Dankeschön!!!), abgebildet. Zu sehen ist Woche 33, also Mitten im August des Jahres 2017.
Die Karte zeigt die Temperaturgrenzen an. Man kann erkennen, dass sich das Oberflächenwasser, dessen Temperatur der Darstellung zu Grunde liegt, nahe an den Küsten am stärksten erwärmt hat. In der Nordsee hatte es eine Durchschnittstemperatur von zumeist 18 Grad vor der Deutschen Küste. Die Ostsee hingegen war mit 19 Grad einen Grad wärmer.
Das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie nutzt für ihre Karten nationale und internationale Daten und Materialien, zum Beispiel von Satellitenbildern des National Oceanic and Atmospheric Administration, einer Amerikanischen Behörde für Ozean und Atmosphären Forschung. Natürlich macht das Bundesamt auch eigene Messungen, beispielsweise über feste Stationen in den Meeren und eigene Messfahrten. Es sind Unmengen an nationaler und internationaler Forschungsarbeit und Messdaten enthalten, bis das Kartenmaterial so schön aufbereitet zu Stande kommt. Ein Hoch auf die Wissenschaft! 🙂
Zum Vergleich nun hier die Aufnahmen der Oberflächentemperatur des Wassers für Woche 8 des Jahres 2017, also im kalten Februar. In der Nordsee war es an der Küste mit 5 Grad am Kältesten. Diesmal wird sie von der Ostsee stark unterboten. An vielen Stellen liegen die Temperaturen des Oberflächenwassers der Ostsee rund um den Gefierpunkt (zu sehen in den nördlichen Bereichen). Also ist die Ostsee im Winter deutlich kälter als die Nordsee. Außerdem ist sie, wie beschrieben, ein viel flacheres Gewässer, dass durch die geringe Tiefe in besonders kalten Wintern auch zufrieren kann. An der Nordsee bildet sich im Gegensatz dazu Eis nur in der flachen Wattzone.
Die Strömungsverhältnisse in der Nordsee könnt ihr im letzten Bild weiter unten erkennen. Durch die Strömung werden die Wassermengen ausgetauscht, so dass auch sie einen Einfluss auf die Temperatur haben. Das ist natürlich eine grobe Darstellung. Wer es genauer und tagesaktuell mag, wird mal wieder beim Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie fündig, die ein Archiv, sowie stündliche Modellberechnungen liefern, nämlich hier. In unserem Hollywood-Experiment (meer dazu hier) könnt ihr erkennen, dass unterschiedlicher Salzgehalt im Wasser zu einer Trennung der Wasserschichten führt, die sich erst mit der Zeit aneinander angleichen.
So kommt es, dass der Norwegischen Küstenstrom, der durch das viele Süßwasser, das aus den Flüssen in die Ostsee eingespeist wird, weniger Salz enthält, als das Wasser aus dem Atlantik. Einen Ausläufer davon nennt man den “östliche Zustrom”. Dieser vermischt sich nur schlecht mit dem Ostseewasser und dreht daher nördlich von Dänemark wieder Richtung Norden ab. Im Winter ist der “östliche Zustrom” wärmer und salziger als das Ostseewasser.
Für die Temperaturen einzelner Meere sind also nicht nur solche Parameter wie Tiefe, Tidenhub und Meeresströmungen ausschlaggebend, sondern auch lokale Unterschiede im Salzgehalt (Wie das Salz überhaupt ins Meer kommt haben wir übrigens auch schon beantwortet).
Erste Tauchtiefe
- Bildquelle:http://www.bsh.de/de/Meeresdaten/Beobachtungen/Meeresoberflaechentemperatur/SST_d.jsp#0
- wikipedia.org: Ostsee
- wikipedia.org: Nordsee
Zweite Tauchtiefe
- bsh.de: Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie: Meeresoberflächentemperatur
- Messverfahren des bsh.de: MARENET
- oceancurrents.rsmas.miami.edu (Engl.): Strömung vor Norwegen
Text: CC-BY-SA 4.0, Inga Marie Ramcke für Plötzlich Wissen!