Gleich an unserem ersten Tag auf Tour in Heilbronn (kompletter Bericht vom ersten Tag: hier), wurde uns eine Frage gestellt: Warum dreht das Wasser beim Abfließen in eine bestimmte Richtung? Uns wurde auch erzählt, wie die Suche nach der Antwort lange Diskussionen in einer WG-Küche und Experimente im Waschbecken auslöste. Hier unsere Antwort:
Vielleicht klingelt beim ein oder anderen etwas, wenn man “Corioliskraft” sagt – irgendwas war da doch mit der Erdrotation und so einer komischen Kraft. Jedenfalls beschreibt das meinen Gedankengang recht präzise. In der Tat gibt es eine Kraft, die etwas mit der Erdrotation zu tun hat, und sie wurde erstmals 1775 von Pierre-Simon Laplace hergeleitet. Benannt wurde die Kraft allerdings nach Gaspard Gustave de Coriolis, der sich eingehend mit dieser Kraft in einem Buch von 1835 beschäftigt hat.
Aber genug von den geschichtlichen Hintergründen. Ist die Strudelrichtung in der heimischen Badewanne, Dusche oder dem Spülbecken von der Erdrotation abhängig?
Die Antwort
Nein, nicht wirklich. Die Corioliskraft ist viel zu klein, als dass sie Auswirkungen auf so kleine Dinge, wie eine gefüllte Badewanne haben könnte. Klein, im Vergleich zur Größe der Erde. Oder anders gesagt: die Corioliskraft, die auf eine volle Badewanne wirkt, ist so klein, dass ganz viele andere Effekte eine Rolle spielen. Um etwas von der Corioliskraft im heimischen Bad messen zu können, müsste man die Badewanne schwingungsfrei aufhängen und dem Wasser einige Tage Zeit lassen sich komplett zu beruhigen. Dann, und auch nur ganz vielleicht, könnte man etwas von der Corioliskraft messen.
Im Haushalt merken wir nichts von der Corioliskraft. Ob das Wasser im Spülbecken mit oder gegen den Uhrzeigersinn dreht, wenn es abfließt. Das hängt allein davon ab wie wir mit unseren Händen darin geplanscht haben, wie wir den letzten Teller aus dem Wasser genommen haben, oder ob das Spülbecken selbst schon eine Drehrichtung auf Grund seiner Form vorgibt. Auf der Nordhalbkugel würde das Wasser übrigens immer gegen den Uhrzeigersinn abfließen, wenn nur die Corioliskraft einen Einfluss hätte.
Zwei Youtuber, einer aus den USA, einer aus Australien, wollten die Sache mal genauer untersuchen, und haben Planschbecken aufgestellt und das Wasser sich lange Zeit beruhigen lassen. Dann zogen sie in der Mitte des Beckens einen Stöpsel und beobachteten das Wasser. Hier gibt es das Video, leider nur auf englisch. Das linke Planschbecken befindet sich in den USA, das recht in Australien.
Worauf wirkt dann die Corioliskraft überhaupt?
Wie stark die Corioliskraft wirkt, hängt vor allem von der Größe des Objekts ab, auf die sie wirkt. Das Wetter wird massiv von der Coriokiskraft beeinflusst – sie ist der Grund warum alle größeren Wolkenformationen auf der Erde in Wirbeln daher kommen. Bei Hochdruckgebieten (von wo aus Luft weg strömt) drehen sich die Wirbel auf der Nordhalbkugel im Uhrzeigersinn, bei Tiefdruckgebieten (zu denen die Luft hin strömt) gegen den Uhrzeigersinn, wie es auch der Fall beim abfließenden Wasser wäre (da fließt das Wasser auch auf den Abfluss zu). Auf der Südhalbkugel sind die Drehrichtungen vertauscht. Das darf man nicht mit Wirbelstürmen oder Tornados verwechseln – die sind wieder recht klein, im Vergleich zur Größe der Erde, und viele andere Faktoren haben einen größeren Einfluss auf die Drehrichtung als die Corioliskraft. In der Wikipedia gibt es noch ein nettes Beispiel, wie sich die Corioliskraft auf die Eisenbahn auswirkt (so gut wie gar nicht ;-)) – wer wirklich Neugierig geworden ist kann sich diese Beispielrechnung hier durchlesen.
Die Corioliskraft wirkt sich – Wissenschaftsjahr 2016*17 – Meere und Ozeane hin oder her 😉 – auch auch auf Meeresströmungen aus, und zwar auf zwei bestimmte Arten besonders stark. Einmal auf die Korkenzieherströmung, die vor allem durch Wind ausgelöst wird, und auf Wirbel am Rand von Meeresströmungen. Die Korkenzieherströmung nennt man auch Ekman-Spirale. Wenn Wind die Oberfläche des Meeres trifft, wird eine Strömung im Wasser erzeugt. Diese Strömung wird durch die Corioliskraft und Reibung mit den tieferen Meeresschichten abgelenkt, auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links (die Richtungsangabe geht davon aus, dass man den Wind im Rücken hat). Durch Reibung wird die Bewegung an die tieferen Meeresschichten weitergegeben und dabei auch immer mehr in ihrer Richtung durch die Corioliskraft verschoben, bis in eine Tiefe von etwas 50m. In dieser sogenannten Ekman-Tiefe bewegt sich das Wasser entgegengesetzt zur Windrichtung. Die Korkenzieherströmungen sind wichtig für das Verständnis des Wassertransports nahe der Oberfläche. Übrig bleiben die Wirbel am Rand von Meeresströmungen, die auf die Corioliskraft zurückzuführen sind. Dabei sind hier Wirbel mit einer Größe von 20 – 200 km gemeint. An der Meerenge von Gibraltar, wo salzreiches Wasser aus dem Mittelmeer auf relativ salzarmes Wasser aus dem Golfstrom trifft, bilden sich im Atlantik in einer Tiefe von 600 m Wirbel mit Durchmessern um die 100 km und sorgen so für eine Verteilung des salzreichen Mittelmeerwassers im Atlantik. Die Drehung der Wirbel wird hierbei wieder durch die Corioliskraft ausgelöst.
Warum gibt es die Corioliskraft?
Die Corioliskraft ist eine Schein- oder Trägheitskraft, so eine Kraft, die wir zum Beispiel aus dem Auto kennen. Beim engen Kurven fahren, spüren wir auch eine Scheinkraft die sich so anfühlt, als ob wir nach außen gedrückt würden, dabei sind wir einfach nur träge und würden uns gerne geradeaus weiter bewegen, während das Auto eine Kurve fährt. Das Wort “Scheinkraft” heißt nicht, dass die Kraft nicht wirklich da ist, sondern nur, dass sie sich aus unserem Blickwinkel wie eine Kraft anfühlt, aber von außen betrachtet “nur” eine Änderung der Richtung ist.
Bei der Corioliskraft kommt erschwerend hinzu, dass sie nur auftritt, wenn sich etwas in einem rotierenden System (die sich drehende Erde) selbst bewegt (Wasser zum Abfluss oder Luft in ein Tiefdruckgebiet strömt). Ich hab in meinem Kopf immer das folgende Bild, um mir die Corioliskraft besser greifbar zu machen: Stellt euch vor, ihr lauft auf einer drehenden Scheibe, und zwar entgegengesetzt der Drehrichtung. Und zwar genau so schnell, dass es von außen so aussieht, also ob ihr keinen Meter voran kommt. Dann wirkt auf euch immer noch die Fliehkraft der rotierenden Scheibe (Fliehkraft ist auch eine Scheinkraft). Die Kraft die dafür sorgt, dass ihr von außen betrachtet “auf der Stelle” lauft, also die Kraft die die Fliehkraft von der Scheibe aufhebt, ist die Corioliskraft. Die Fliehkraft (Scheinkraft bei Rotation) “braucht” also eine andere Kraft, die eben diese Fliehkraft aufhebt, wenn man sich auf einer rotierenden Scheibe so bewegt, dass man von außen betrachtet still steht – und genau das ist die Corioliskraft (Scheinkraft bei Rotation und Bewegung). Physikalisch würde man das so ausdrücken: “Scheinkräfte verrichten keine Arbeit”, oder anders ausgedrückt: “Scheinkräfte ändern die Richtung der Bewegung und nicht ihren Betrag”. Wer noch mehr über die Corioliskraft erfahren will, dem möchte ich den Wikipedia-Artikel in der “zweiten Tauchtiefe” ans Herz legen. Der ist gut geschreiben, aber nicht “mal eben so” nachvollzogen (was das mit den Tauchtiefen auf sich hat, findet ihr hier).
Erste Tauchtiefe
- Die Zeit – Stimmt’s?: Seltsamer Strudel
- Planet Schule: Meeresströmungen
- Wikipedia: Trägheitskraft
- Wikipedia: Korkenzieherströmung
- Wikipedia: Wasserwirbel
Zweite Tauchtiefe
- Wikipedia: Corioliskraft
- wiss. Artikel (PDF, franz.): Coriolis 1835. Memoire sur les equations du mouvement relatif des systèmes de corps, J. Ec. Polytech., 15, 142-154
- Wikipedia: Nachweis und Bedeutung des Ekman-Transports
- wiss. Artikel (PDF, engl.): Ekman, V. W. 1905. On the influence of the Earth’s rotation on ocean currents. Arch. Math. Astron. Phys., 2, 1-52
Text: CC-BY-SA 4.0, Dr. André Lampe für Plötzlich Wissen!