Große Klappe und nix dahinter? Doch! Bei Muscheln hört es sich ganz schön lustig an. Sie haben einen Fuß und Zähne, verfügen über ein Schloß und bilden auch oft einen Sipho aus. Und die Klappen werden allgemein auch Muschelschalen genannt. Das Schloß dient als Scharnier bei den lebenden Tieren, damit sich die Klappen nicht verschieben, wenn die Muschel sich öffnet, um Fuß und Sipho auszustrecken. Unter Fuß kann sich vermutlich jeder etwas vorstellen, während der oder die Siphonen (manche haben zwei, manche einen mit einer Doppelröhre) bei den grabenden und bohrenden Arten als Verlängerung zum Atmen und als Ausscheidungsorgan dient. Und die Zähne könnt ihr am Beispiel der Herzmuschel im Bild erkennen.
Muscheln sind für die Wissenschaft sehr interessant, weil sie allerlei verraten. Im Muschelfleisch lagern sich Stoffe aus dem Wasser an, das die Weichtiere täglich vor sich hin filtrieren, um an ihre Nahrung zu gelangen. Dabei bleibt auch allerhand “Müll” aus den Meeren hängen.
Ihr Weichkörper speichert eine Vielzahl an Stoffen, die für die Beobachtung der Wissenschaftler interessant sind. Besonders beliebt sind die Miesmuscheln, weil sie sich nicht besonders stark von der Stelle bewegen. Sie bilden Muschelbänke aus und sitzen mit ihren Artgenossen und allerlei komischen, moosartigen Fäden (daher ihr Name MIESmuschel, denn “Mies” heißt auf Mittelhochdeutsch “Moos” ) auf einem Fleck. Das Moos ist natürlich kein Moos sondern es handelt sich im sogenannte Byssus-Fäden, die die Muscheln aus Eiweiss herstellen. Es wird auch Muschel-Seide genannt, wurde als Textil eingesetzt und wird gerade als Muschelkleber erforscht, der biologisch abbaubar unter Wasser kleben kann. Der passende Artikel ist hier auf englisch abrufbar. Die Miesmuscheln brauchen den Superkleber, da sie in starken Strömungsbereichen wohnen und sich mit Hilfe des Klebers fixieren können. Unter dem Titel “Das Teflon der Meere” haben sich unsere werten Kollegen vom Podcast (hier mehr über Podcasts) “Methodisch Inkorrekt” mal mit einem Paper über das Verhindern vom Festkleben von Muscheln an Schiffsrümpfen auseinandergesetzt. Einfach hier direkt auf Thema 4 klicken und zuhören.
Muscheln als Beweismittel
In der Umweltprobenbank werden seit 1985 Vorräte von Miesmuscheln gehalten, um toxikologische und ökologische Beweise für Veränderungen festzuhalten. Die Daten zu den Miesmuscheln aus Nord- und Ostsee können hier eingesehen werden. Durch die lange Lagerung besteht die Möglichkeit, dass neuere Forschungsmethoden entwickelt und auch an alten Proben angewendet werden können. Dabei wird der gesamte Weichkörper z.B. nach Metallen, aber auch künstlichen Duftstoffen und Tenside uvm. untersucht.
Aber nicht nur der Weichkörper, auch die Klappen der Muschel haben es in sich. Während die Umweltprobenbank sich auf die Untersuchung des glibberigen Innenlebens konzentriert, sind andere Wissenschaftler vor allem an den Schalen interessiert, besonders die Zusammensetzung. Die Konzentration der Muschelschalen-Bestandteile, wie Calcium, Magnesium u.a. sollen Rückschlüsse auf die Umweltbedingungen und den Zustand des Meeres geben. Dabei wird aktuell die Bedeutung der Größe der Muschel diskutiert und inwieweit sie Einfluss auf die Rückschlüsse zu den Umweltbedingungen hat. Das passende englische Paper findet ihr in der zweiten Tauchtiefe ganz unten.
Harte Schale
Bei der Islandmuschel wird die Schale Schicht für Schicht aufgebaut, so dass man daran ihr Alter bestimmen kann. Eine Islandmuschel hat es so bis in die ganz normale Presse geschafft und wurde wegen ihres Alter gleich Ming-Muschel genannt, da sie über 500 Jahre das Meer bevölkert hat. Klar, dass diese Muschel direkt nach der damaligen Dynastie in China zu benennen war. 🙂
Alles in allem sind Muschel also sehr aufgeschlossen. Vor allem was die Informationen über die Umwelt, in der sie leben, angeht.
In Andrés Artikel über das Rotkohl Experiment (Hintergrund: Versauerung der Meere) könnt ihr etwas mehr Einblick über die Bedeutung der Säure auf die kalkhaltigen Muschelschalen erhalten.
Wer einfach nur entspannt am Meer unterwegs sein möchte und ab und zu eine Muschel bestimmen mag, kann mal in unseren Artikel über das Projekt “Beachexplorer” reinschauen.
Erste Tauchtiefe
- planet-wissen.de: Muscheln
- Weichtiere.at: Miesmuschel
- Unter Wasser Welt Ostsee: Liste der Arten
- geo.de: Muscheln der Nord- und Ostsee
- Schutzstation Wattenmeer: Muscheln
- ploetzlichwissen.de: Rotkohl Experiment
- ploetzlichwissen.de: Beachexplorer
Zweite Tauchtiefe
- Umweltprobenbank.de: Muschelproben
- Umweltbundesamt.de: Schadstoffkonzentration in Nordee und Ostsee
- Wissenschaftlicher Artikel: Ziegelmeier, Erich. “Die Muscheln (Bivalvia) der deutschen Meeresgebiete.” Helgoländer wissenschaftliche Meeresuntersuchungen 6.1 (1957): 1-51.
- Wissenschaftlicher Artikel (engl.): Silverman, Heather G., and Francisco F. Roberto. “Understanding marine mussel adhesion.” Marine Biotechnology 9.6 (2007): 661-681.
- Wissenschaftlicher Artikel (engl.): Piwoni-Piórewicz, Anna, et al. “Size effect on the mineralogy and chemistry of Mytilus trossulus shells from the southern Baltic Sea: implications for environmental monitoring.” Environmental Monitoring and Assessment 189.4 (2017): 197.
- Wissenschaftlicher Artikel PDF (engl.): Karney, Graeme B., et al. “Characterizing the microstructure of Arctica islandica shells using NanoSIMS and EBSD.” Geochemistry, Geophysics, Geosystems 13.4 (2012).
- Wissenschaftlicher Artikel (engl.): Gruber, Heike, et al. “Telomere-independent ageing in the longest-lived non-colonial animal, Arctica islandica.” Experimental gerontology 51 (2014): 38-45.
- Wissenschaftlicher Artikel (engl.), über den die Kollegen von “methodisch inkorrekt” berichten:
Text: CC-BY-SA 4.0, Inga Marie Ramcke für Plötzlich Wissen!