Was ist so groß wie ein Chihuahua, hört erst auf zu fressen, wenn es fast platzt (in natürlicher Umgebung) und ist mit deutlich mehr Beinen ausgestattet, als der Hund vom Anfang der Frage? Es ist der Grund, warum ich hier ab sofort die neue Kategorie “Merkwürdige Meerestiere” einführe… denn…tadadadaaaa… es ist die Riesenassel!
Vielleicht nicht ganz so possierlich, wie die Tiere, die ich hier bereits vorgestellt habe (ihr erinnert euch sicher an den Dugong, das Tiertracking (mit Pinguinen!!!, Lachsen und Meeresschildkröten), Muscheln, Küstenseeschwalben, Schweinswale, Krabben usw…) aaaaber, die Riesenasseln gibt es in wunderschönen Ausführungen, was die meisten von uns leider nicht mitbekommen, weil wir so selten in der Tiefsee tauchen – Riesenasseln leben zumeist ab einer Wassertiefe von mindestens 170m.
Wissenschaftler tauchen allerdings schon öfter mal so tief und bringen dann so tolle Videos mit wie dieses hier, in der eine Riesenassel von zwei Lichtschwertern…ähhh… Laserstrahlen – um Größenverhältnisse darzustellen – erfasst wird. Und natürlich flugs wegschwimmt, denn von Menschen mit Laserstrahlen ist eher kein Futter sondern nur Ruhestörung zu erwarten. Die roten Laserpunkte leuchten im Abstand von 10cm, so dass die Chihuahua-Größe ganz gut zu erkennen ist. Kein Wunder, dass sie flüchtet, denn eventuell hat sich unter den Riesensasseln herumgesprochen, dass sie in Asien auch ab und zu in Kochtöpfen oder Zoos enden. Riesenassel Nummer 1 (kein Scherz, sie wurde wirklich so genannt) hat zum Beispiel nach 5-jährigem Hungerstreik ihrer Existenz, im Aquarium von Toba in Japan, ein Ende gesetzt. Der “Lifestyle” der Riesenasseln wird übrigens auch erforscht, denn einige bauen sich kleine…also größere Höhlen. Die sind natürlich mindestens so groß, wie die Assel lang ist. Eine der Höhlen seht ihr im GIF oben links. Da ist gerade Hausputz angesagt, oder so…
Über Wasser werden Asseln normalerweise nicht so groß. Die allseits beliebten Kellerasseln … ;)… schaffen es auf 20mm Länge. Ähnlich groß sind die Wasserasseln, die meistens in Süßwasser, aber auch in Brackwasser vorkommen. Asseln gehören zu den Krebstieren und somit nicht, wie man auch vermuten könnte, zu den Insekten. Alle Asselarten stammen ursprünglich aus dem Meer und besitzen Kiemen an den Hinterbeinen. Die Landvarianten haben allerdings auch noch andere Möglichkeiten zum Atmen entwickelt.
Zur besonderen Größe dieser Tiere haben Wissenschaftler verschiedene Theorien entwickelt. In unserem Artikel über die Größe der Wale habt ihr bereits die aktuelle Theorie über deren Gigantismus erfahren. Der sogenannte Tiefseegigantismus beschreibt, dass viele Tiefseebewohner die Tendenz zu besonderer körperlicher Größe haben. Also im Vergleich zu ihren Verwandten, die nicht in der Tiefsee leben. Denkt zum Beispiel an Riesenkalmare und Riesenkrabben. Der Grund der Größe hat im Falle der Riesenasseln tatsächlich mit der Tiefsee zu tun und nicht, wie man auch vermuten könnte, mit der Bergmannschen Regel.
Bei der geht es um das Verhältnis von Oberfläche und Volumen der Tiere. Sie wurde früher hauptsächlich auf Säugetiere und Vögel angewandt und versucht zu erklären, warum Tiere in kälteren Gegenden größer sind als in warmen Gefilden. Ein klassischer Vergleich wären z.B. dicke Pinguine am Südpol und ihre schlankeren Verwandten z.B. in Südafrika. Die Dicken halten sich durch ihr großes Volumen im Vergleich zur in Relation kleineren Körperoberfläche warm (der Wärmeaustausch findet über die Oberfläche statt).
Kein Wunder, dass sich die Riesenasseln mit fast einem halben Meter Länge und fast zwei Kilo Körpergewicht gerade in der kalten Tiefsee aufhalten. Allerdings bezieht sich die Bergmannsche Regel auf den Breitengrad, auf dem ein Tier wohnt, und nicht auf die Tiefe des Meeres. Insofern bleibt es beim Tiefseegigantismus als Grund. Allerdings wird die Bergmannsche Regel auch heute noch stark diskutiert und anscheinend ist die Umgebungstemperatur der entscheidenden Faktor für den Größenunterschied.
Übrigens wurde gerade dieses Jahr ein neuer Artikel veröffentlicht, der vom Familienzuwachs in der Riesenassel-Familie berichtet. Die neu entdeckte Art aus der Familie wurde in fast 1000m Tiefe in der Nähe der Insel Hainan im Südchinesischen Meer entdeckt und heißt nun Bathynomus jamesi. Riesenasseln vermehren sich übrigens so, wie ihr es auch bei den Krebsen am Strand kennt: die Weibchen tragen die befruchteten Eier mit sich herum. Bei den Riesenasseln funktioniert das, indem sie die Brutplatten ihrer Schwimmbeine übereinander lappen lassen. Sie achten darauf, dass möglichst viele Asselbabies schlüpfen. Herumtreibende Eier wären besonders in der Tiefsee ein gefundenes Fressen. Die Ernährung vieler Arten der Tiefsee und natürlich auch der Riesenasseln, besteht oftmals aus dem, was von oben heruntergerieselt kommt. Also z.B. Walkadaver oder andere mehr oder weniger tote Tiere. Grundsätzlich sind die Riesenasseln aber Allesfresser. Sie bilden einen Teil des “Müllräum-Kommandos” auf den Böden der Weltmeere. Und kommen dadurch leider, wie alle Meeresbewohner, mit Plastikmüll in Kontakt (und wir als Endverbraucher dadurch natürlich beim Fischessen auch). Dazu haben wir in unseren Artikel über das Experiment zu Mikroplastik in Kosmetik, die 2 Minuten Strandreinigung und den Podcast mit Ideen gegen Mikroplastik im Meer berichtet.
UPDATE: Unsere Facebook-Leserin Tanja, hat uns auf ein tolles Video aufmerksam gemacht, das in tollen Bildern (auch der Tiefsee) über Tiefseeforschung informiert und in dem auch ziemlich viele Riesenasseln vorkommen. Vielen Dank, Tanja!
Deep Sea Research at the Cape Eleuthera Institute from The Island School on Vimeo.
Für alle, die gut Englisch verstehen, gibt es noch ein Video mit einer eingelegten Riesenassel.
Wenn ihr ein Wunschtier habt, also ein “Merkwürdiges Meerestier”, über das ihr gern mal meer erfahren würdet, schreibt uns gern in den sozialen Medien Facebook, Twitter und Instagram oder ganz klassisch per eMail (info@ploetzlichwissen.de). Wir kümmern uns darum.
Erste Tauchtiefe
- wikipedia.de: Riesenasseln
- wikipedia.de: Asseln
- wikipedia.de: Tiefseegigantismus
- Beutelwolf Blog: Tiefseegigantismus
- Die Bergmann’sche Regel(PDF) in PdN-Ph. 8/53 (2004) mit Tipps für Lehrer
Zweite Tauchtiefe
- Aquarium of the Pacific (Engl.): Giant Isopod
- Daily Mail (Engl.): World’s longest hunger striker dies after not eating for five years
- Wissenschaftlicher Artikel (Engl.): Meiri, S. (2011). Bergmann’s Rule–what’s in a name?. Global Ecology and Biogeography, 20(1), 203-207.
- Wissenschaftlicher Artikel (Engl.) leider nicht OpenAccess: Timofeev, S. F. (2001). Bergmann’s principle and deep-water gigantism in marine crustaceans. Biology Bulletin, 28(6), 646-650.
- Wissenschaftlicher Artikel (Engl. PDF): Wilson, G. D. (1998). Historical influences on deep-sea isopod diversity in the Atlantic Ocean. Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography, 45(1-3), 279-301.
- Wissenschaftlicher Artikel (Engl.): Kou, Q., Chen, J., Li, X., He, L., & Wang, Y. (2017). A new species of the giant deep‐sea isopod genus Bathynomus A. Milne Edwards, 1879 (Crustacea, Isopoda, Cirolanidae) from Hainan Island, South China Sea. Integrative zoology.
- Wissenschaftlicher Artikel (Engl.) leider nicht OpenAccess: Matsui, T., Moriyama, T., & Kato, R. (2011). Burrow plasticity in the deep-sea isopod Bathynomus doederleini (Crustacea: Isopoda: Cirolanidae). Zoological science, 28(12), 863-868.
Text: CC-BY-SA 4.0, Inga Marie Ramcke für Plötzlich Wissen!
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